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ARBEITSBEREICHESPIELRAUMPLANUNG › NATURNAHE UND KINDGERECHTE SPIELRÄUME

 
Naturnahe und kindgerechte Spielräume
Ein Baumhaus zwischen Blättern erobern, Sandburgen und Wassergräben bauen, in Buden
aus Ästen und Zweigen spielen, durch Gebüsche strolchen, barfuß Steine und Moos spüren,
bis hinauf in den Himmel klettern, am Lagerfeuer Würstchen grillen...


Das klingt nach Abenteuer, dreckigen Hosen, roten Wangen und leuchtenden Augen!
Nebenbei sind es wertvolle Erfahrungsfelder und Bewegungsmöglichkeiten, denn die
Bewegung in und der Umgang mit der Natur sind elementare Grundlagen der Entwicklung
eines Kindes. Leider ist intakte Natur, insbesondere in städtischen Gebieten, kaum noch
erreichbar. Kindliche Lebens- und Aktionsfreiräume werden durch Zivilisationsauswirkungen,
wie hohes Verkehrsaufkommen und dichte Bebauung, immer stärker eingeschränkt. Diese
Entwicklung ist eine der Ursachen für die Zunahme von motorischen Defiziten und Haltungs-
schäden, von Konzentrations- und Koordinationsstörungen sowie zunehmende Aggressivität
unter Kindern und Jugendlichen. Umso wichtiger ist es, Räume zu schaffen, die Kindern
und Jugendlichen einen Ausgleich für diese Defizite bieten.

Viele konventionell gestalteten Spielorte, wie Spielplätze, Schulhöfe und Kindergartenaußen-
gelände, werden diesen Anforderungen nicht gerecht. Deshalb wurde unter dem Stichwort
„naturnaher Spielraum" eine Gestaltungsform entwickelt, die sich vorrangig an den Bedürf-
nissen von Kindern orientiert. Diese Spielräume werden gemeinsam mit Kindern geplant
und umgestaltet, sie erlauben ein höheres Maß an Abenteuer, bieten eine Fülle ursprünglicher
Erfahrungen und vermitteln Kindern einen Zugang zur Natur.

Sowohl von pädagogischer Seite, als auch von Seiten der Unfallversicherer, der Kranken-
kassen und der Bewegungswissenschaftler werden diese Spielräume als sinnvoll und kind-
gerecht empfohlen. Aber auch finanziell rechnen sich solche Spielplätze - sie sind bis zu 50%
kostengünstiger als die herkömmlichen.
   
 
 
 

Atmosphäre
Hügel und Mulden, Aussichtspunkte und Verstecke, Wiesen und Strauchdickicht - eine
abwechslungsreiche Landschaft mit kindgerechten Dimensionen ist das Ziel der Planung
eines naturnahen Spielraumes. Kinder können sich durch einen solchen Spielraum
"hindurchspielen" und dabei immer Neues entdecken. Im Vordergrund steht nicht das
Spielgerät, sondern der zu gestaltende Raum. Er muss eine angenehme Atmosphäre
aufweisen, in der sich Kinder wohl fühlen.
   
 
 
 

Sinneserfahrung
Die elementaren Gleichgewichts- und Bewegungssinne, aber auch Hören, Sehen, Fühlen,
Schmecken und Riechen sollen durch die Gestaltung des Spielraumes vielfältige Anregungen
erhalten.
Eine abwechslungsreiche natürliche Geländestruktur, naturbedingte Veränderungen,
eine Vielfalt an Strukturen, Oberflächen, Farben und Pflanzen, Wechsel von Licht und
Schatten  – das alles trägt dazu bei, dass die Sinne der Kinder stets neu und möglichst
beiläufig gefördert werden.

Sinneserfahrungen sind nicht immer angenehm. Auch dieses sollte das Kind im Außenraum
erleben können, z.B. in der Begegnung mit Pflanzen wie der brennenden Brennnessel oder
der dornigen Brombeere.
   
 
 
 

Natur und Veränderung
Gänge durch das Strauchdickicht führen zu einer kleinen Höhle. Hier wohnt eine Familie,
ein Baumstumpf dient als Herd, und zu Mittag wird frische Blattsuppe gekocht. Schon morgen
wird in der gleichen Höhle eine Bäckerei eröffnet, und über die Baumstammtheke werden
mit Nüssen verzierte Sandkuchen verkauft.

Im Grunde bietet die Natur alles, was Kinder zum Spielen brauchen. Sie weist schon auf
kleinstem Raum eine Fülle von Erfahrungs- und Nutzungsmöglichkeiten auf. Sie verändert
sich im Rhythmus der Jahreszeiten, durch das Wachstum der Pflanzen und auch durch
das Spiel der Kinder.

Durch unmittelbare körperliche Naturerfahrung begreift sich das Kind als Teil der Umwelt.
Diese Erfahrung bildet die grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung eines Umwelt-
bewusstseins.
   
 
 
 

Erde, Feuer, Wasser, Luft
Erde ist nicht nur als Sand in der Sandspielmulde erlebbar, sondern auch in Form eines
einfachen Erdhaufens oder einer Lehmkuhle. Spiele, die richtig dreckig machen, machen
meistens auch richtig Spaß. Insbesondere in Verbindung mit Wasser bietet die Erde eine
Menge Spiel-, Gestaltungs- und Erfahrungsmöglichkeiten.

Wenn das Spielwasser nicht aus der Trinkwasserleitung kommt, sondern aus einer Regen-
wasserzisterne (in Badegewässerqualität), entwickelt sich ein Verständnis für den natürlichen
Wasserkreislauf. Kinder gehen mit Wasser, das mit eigener Muskelkraft herauf gepumpt wurde
und nur begrenzt zur Verfügung steht, viel sparsamer um.

Feuer kann man mit einem Vergrößerungsglas, zwei Steinen oder -  wenn man nicht zu lange
auf das warme Würstchen warten will - einfach mit Streichhölzern machen. Das betreute Umfeld
eines Kindergartens oder einer Schule bietet sich an, um den Kindern die Faszination sowie
die Gefahr der Flammen zu vermitteln.

Das Element Luft wird in erster Linie durch Wind, der durch Bäume und Sträucher streicht,
- mal sanft, mal stürmisch - erlebt. Auch ein Windrad, eine Windmühle oder ein einfaches
aus Schrott hergestelltes Klangspiel machen die Luft sichtbar.
   
 
 
 

Einfache Spielangebote
Während Standardspielgeräte mit vorgegebenen Spielmöglichkeiten eher zum Konsum
verleiten, fördern einfache Spielangebote die Kreativität der Kinder. Nicht nur aus päda-
gogischen Überlegungen sind einfache Spielangebote anzustreben, sie können auch zu
einer erheblichen Kostenreduzierung des Spielplatzbaus beitragen.
So sind bei der Gestaltung des Außenraums vorrangig lokal vorhandene Materialien und
Naturmaterial zu verwenden, die multifunktional eingesetzt werden können. Beispiele hierfür
sind Findlinge, Weiden oder Baumstämme: Ein Stamm dient als Balancier- und Sitzangebot
und bietet reiche Natur- sowie Tasterfahrung.

Stationäre Spielgeräte haben ihre Bedeutung, wenn sie Spielerfahrungen ermöglichen, die
die Natur nicht bieten kann (z. B. Rutschen, Schaukeln, Trampolinspringen). Diese Angebote
sind harmonisch in den Spielfluss und das Gelände einzubauen, so dass sie dieses nicht
dominieren. Sie sollten derart konzipiert sein, dass sie das Miteinander-Spielen und die
Kommunikation fördern. An Stelle von Geräten, an denen jeweils nur ein Kind spielen kann,
sind insofern Angebote zu befürworten, die von mehreren Kindern gemeinsam genutzt
werden können, wie z. B. eine Breitrutsche oder Gruppenschaukeln.
   
 
 
 

Umgang mit dem Risiko
Für Spielräume gelten Unfallkassen- und TÜV-Bestimmungen sowie DIN-Normen.
Die DIN 18034 besagt unter anderem:

„Sicherheitsmaßnahmen sind zusammen mit der Anforderung zu sehen, daß zum Spielen
ausgewiesene Flächen, abgestuft nach Altersgruppen, vor allem auch eine erzieherische
Funktion ausüben. Freude am Abenteuer und Bestehen eines Risikos als Bestandteile des
Spielwertes sind im Rahmen kalkulierter spielerisch-sportlicher Betätigung erwünscht. Für
Kinder nicht erkennbare Gefahrensituationen sind zu vermeiden."

Entsprechende Erfahrungen können Kinder nicht in genormten Standardsituationen
erwerben. Möglich ist dieses vielmehr in einem unregelmäßigen, sich ständig verändernden
Spielgelände, auf dem sie stets achtsam und auf mögliche neue Gefahren eingestellt sein
müssen. So lernen Kinder Risiken richtig einzuschätzen. Vertrauen auf die eigenen Fähig-
keiten und Kräfte entsteht nur in der Bewährung in Gefahrensituationen.

Bei aller Gewährleistung der Aufsichtspflicht ist es nicht die Aufgabe der Erzieherinnen und
Erzieher, das Kind allzeit zu bewachen, sondern die Umgebung so vorzubereiten, dass es
seine Kraft an überschaubaren Risiken erproben kann.

Diese Überlegung gilt auch im Hinblick auf die Pflanzenauswahl. Nur die nach DIN 18034
verbotenen Pflanzen dürfen nicht verwendet werden. Stachelige oder leicht gefährliche
Pflanzen können als Erfahrungspflanzen durchaus einen Platz auf dem Spielplatz finden.
   
 
 
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